Es beginnt eine neue ZEIT oder warum Sie als Reporter ein Iphone brauchen …

Foto: Michael Mahlke

– wenn Sie bei Zeit Online arbeiten wollen.

Das Mediummagazin hat ein Interview mit Wolfgang Blau geführt. Er ist Chef von Zeit Online.

Und in dem Interview gibt es eine Stelle, bei der er etwas sagt, von dem ich nicht weiss, ob es Marketing oder einfach so gemeint ist: „Redakteure, die sich bei uns bewerben, müssen erst einmal gutes, klassisches Handwerkszeug mitbringen. Darüber hinaus müssen sie im Umgang mit den gängigen Social-Media-Tools versiert sein. Dass Redakteure auch einfache Video- und Audioclips aufnehmen, ist ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Technische Basis dafür ist bei uns inzwischen das iPhone, mit dem die Kollegen ja auch privat filmen. Ab hier beginnt dann die Individualisierung.“

Wer sich bei Zeit online bewirbt, muss also ein Iphone haben oder dieses beherrschen können.

Das ist ein wunderbarer Satz, denn er zeigt die Frage der sozialen Gebrauchsweise eines technischen Gerätes auf klare Art und Weise und geht weit darüber hinaus.

Denn damit ist zugleich ein technischer Standard für das Web formuliert für Audio und Video und wahrscheinlich auch für die Fotografie (im Web?).

Das Iphone wird damit zum Massstab für das Handwerkszeug vor Ort von Journalisten und es wird der technische und soziale Standard. Es wird damit auch zu einem Aushängeschild.

Hast du ein Iphone, dann kannst du auch Reporter werden, könnte man sagen.

Interessant finde ich, dass hier eine so klare Festlegung erfolgt. Denn wenn dies zur Sicherung eines Workflows dienen sollte in der Redaktion, dann hat diese Festlegung sicherlich Folgen.

Nun ist die Zeit online kein Leitmedium, weil es online kein Leitmedium gibt. Aber für die Artikel und Online-Publikationen ist ein Standard definiert worden, der journalistisch auch viel aussagt.

Zugleich sagt dies auch etwas aus über die Reporterkreise der Zeit. Ich habe ein Iphone, also bin ich – dabei.

So wird das Iphone selbst ein Stück Statussymbol einer Berufsgruppe. Umgekehrt ist damit diese Berufsgruppe nicht mehr besonders weit von anderen entfernt, denn somit kann jeder mit einem Iphone Reporter werden, wenn auch nicht immer bei der Zeit.

Damit beginnt eine neue Zeit im Journalismus, deren aktuelle technische Webstandards klar sind und die es ermöglichen, guten Journalismus mit einem einzigen Gerät umzusetzen, bei Zeit online oder woanders im Internet. Da sind nämlich noch Plätze frei.

Was ich mich aber abschliessend noch frage, ist etwas anderes. Ich stelle mir die Frage, ob bei Herrn Blau sich auch Journalisten mit einem Iphone bewerben können, wenn sie schon über 50 sind. Denn diese müssen dank der herrschenden Gesetzeslage dann ja auch noch 17 Jahre arbeiten.

Wenn Herr Blau diese einstellt wäre das Iphone nicht nur ein Arbeitsgerät und ein Statussymbol sondern auch ein Hoffnungsschimmer.

Nachtrag am 29.11.2012:

So schreibt heute Frank Schirrmacher auf faz.net: „Der Kollege Wolfgang Blau etwa, Chef von „Zeit Online“, der dort niemals auch nur eine halbschwarze Zahl schrieb, aber von der Marke lebte, deren materiellen Grundlagen er permanent in Frage stellt, reist nun durch die Lande als Wiedergeburt des Neoliberalen: Der Markt hat entschieden, sagt der hochangesehene Mann, der ein praktisch weltweit funktionsunfähiges Marktmodell vertritt: Wir müssen damit leben, dass ganze Branchen und Berufe untergehen.“

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

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