Von der Waffe zur Partizipation? – Die Methode Photovoice

Visuelle Kommunikation

Wir leben immer mehr in einer visuellen Welt.

Wir machen uns Bilder von der Welt und wir erhalten Bilder, die wir sehen sollen.

Was sehen wir?

Sehen wir die Dinge in unserem Kopf oder sehen wir die Dinge um uns herum?

  • Daneben gab es immer eine politische Fotografie zwischen dokumentierender Fotografie als Waffe und der Manipulation mit Bildern.
  • Und es entstand im angelsächsischen Raum die Methode Photovoice bei der thematische Fotos von Betroffenen selbst erstellt werden und dann in Gruppen besprochen werden mit der Frage, was man tun kann
  • Neben diesen sozialen Funktionen der Fotografie gab es immer schon parallel die persönlichen Funktionen. Fotografie diente und dient zur Bewältigung persönlicher Erfahrungen zwischen Krieg und Krankheit, Lebensereignissen wie Hochzeiten und Geburten und natürlich der Begegnung mit dem Tod.

 

Fotografie & darüber Sprechen = Photo Voice

Photovoice bedeutet in der Praxis, dass Menschen, die etwas zum Thema machen wollen, dies fotografieren und dann gemeinsam darüber sprechen.

Diese Methode hat in UK eine eigene Webseite, die zeigt, was man damit machen kann: Partizipative (mitbestimmende und mitmachende) Fotografie für soziale Veränderungen

Grafik: Michael Mahlke

 

Das kann alles sein was aktivierend angesprochen werden soll, um es besser und weiter gemeinsam zu bearbeiten.

In einem sehr guten Vortrag von  Tanja Gangarova (Deutsche AIDS-Hilfe e.V.) und Melike Yildiz (AfroLeben+) auf einer Fachtagung zur Inklusion wurde dies folgendermassen ausgedrückt:

„Mitglieder einer Gruppe oder Community machen Fotos von ihren Lebenswelten und werten diese gemeinsam aus, um Veränderungsprozesse zu initiieren“

Somit ist Photovoice so neutral wie ein Messer. Die Methode kann engagiert für demokratische Veränderungsprozesse eingesetzt werden oder sozialpädagogisch für Kleingruppenarbeit mit konkreten lokalen und persönlichen Themen.

Es gibt von China über Kanada bis Amerika Beispiele dafür, wie mit dieser Methode

  • neue Blicke auf die Dinge,
  • ein anderer Umgang mit einem Thema oder auch
  • eine Lösung festgefahrener Strukturen

erreicht werden konnte.

Beispiele sind
  • Die Visualisierung von Berufswünschen
  • Das Abholzen von Bäumen in einem Stadtviertel
  • Die Verschmutzung durch Hundekot
  • Bessere Versorgung von Brustkrebspatienten
  • Umgang mit Prothesen
  • Diskriminierung im Alltag von Einwanderern in Kanada
  • HIV-Präventation
  • Leben im Seniorenheim
  • Umgang mit Alter und neue Kontakte
  • Migrationsarbeit zu vielen Themen
  • Migranten und Immigration
  • etc.

Es ist also alles möglich, wobei es eher um schwierige Themen geht, die meistens auch persönliche Erfahrungen über Fotos nonverbal zum Thema machen, das dann sprachlich formulierbar wird.

Interessanterweise habe ich nirgendwo die Thematisierung von Armut von Alg 2 Betroffenen gefunden. Das wird eher gar nicht oder kaum angepackt, so daß auch hier photovoice eine Methode wäre, um Veränderungen und eine neue Sichtweise und ein neues Selbst-Bewußtsein zu erzeugen.

Photovoice ist eine Methode für soziale Dynamik

Es reicht bei dieser Methode allerdings nicht, eine Kamera zu nehmen. Fotografieren geschieht ebenso in einem rechtlichen Rahmen wie die Gruppenarbeit und die Thematisierung. Vorbereitung, Ziele, Begleitung – in der Regel handelt es sich um Projekte, die Wochen wenn nicht Monate mit Gruppenarbeit umfassen plus Konzept, begleitende Dokumentation und Auswertung mit Abschlußbroschüre.

Das kostet alles Geld und sollte auch entsprechende Erfahrungen und Gruppenarbeit voraussetzen.

Die Fotografie nimmt aktuell eine neue Rolle ein.

Sie ist das digitale visuelle Messer geworden. Das Messer begleitet die Menschen seit Jahrtausenden und hat viele Funktionen. Es kann zum Brotschneiden, dem Operieren oder dem Ermorden genutzt werden.

Ebenso viele Möglichkeiten hat die Fotografie.

Die Grafik zeigt,

  • was man mit der Fotografie machen kann,
  • welche Funktionen sie haben kann und
  • wie man sie einordnen kann.

Und Photovoice hilft, soziale Wirklichkeiten anzustossen und Veränderungsprozesse umzusetzen.
Deshalb schreibe ich darüber und sie sollten nach dem Lesen darüber sprechen.
Geben Sie dieser fotografischen Methode ihre Stimme.

Photovoice ist also eine gute Methode für Sozialarbeit und Photovoice ist zugleich eine visuelle Sprache, die Brücken bauen kann und Photovoice ist eine soziale Gebrauchsweise der Fotografie.

Nachtrag 2019:

Sehr gut ist dies hier erläutert.

 

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/