Diane Arbus oder wie fotografiert man das Böse und Verbotene?

arbus

„Als sie sich wiedersahen, hatte Diane eine Antwort parat: Ich möchte das Böse fotografieren.

Damit ist das gemeint, wo man lieber wegguckt. Blinde Flecken heisst es auf Deutsch, Blind eye auf Englisch.

So schildert Patricia Bosworth die Antwort von Diane Arbus auf die Frage im Seminar von Lisette Model, was sie denn fotografieren wolle. Wenn man diesen Satz liest, ist man schon auf Seite 185 in einem Buch über Diane Arbus angelangt, das eine echte Lebensgeschichte ist und den Menschen ebenso zeigt wie die Fotografin, die sich aus dem Menschen entwickelte und weiterentwickelte.

Diane Arbus wurde mit ihren Fotografien weltberühmt.

Im Buch von Patricia Bosworth werden die ununterbrochenen Nachtschichten von Diane Arbus geschildert. Der Versuch Geld zu verdienen war der Leidensdruck, der sie immer wieder in Bewegung setzte, obwohl der fehlende Erfolg das tägliche Ergebnis war.

Patricia Bosworth entwirft in ihrem Buch eine Welt voller Fotografen von Meyerowitz über Frank und Arbus und viele mehr, die alle massiv und lange (und zum Teil bis zu ihrem Lebensende) von Geldsorgen geplagt waren. Die Welt der New Yorker Fotografen und der bis heute großen Namen und ihre Geschichten wird erzählt, weil Diane Arbus überall dabei war.

Auch Diane Arbus erlebte später das Phänomen des absteigenden Verdienstes bei aufsteigendem Ruhm. Je mehr Wettbewerbe sie gewann, je prominenter sie wurde, desto weniger Aufträge erhielt sie.

Robert Frank erhielt z.T. nur 50 Dollar für ein Foto, sie später 100 bis 200 Dollar. Und das auch nur, weil sie die Zeitungsredakteure kannten. Es ging um Beziehungen, nicht um „Qualität“. Das Geld war oft der einzige Verdienst.

Da kommen wir heute gerade wieder hin, so daß dieses Buch auch zeigt, dass die Leidenschaft für Fotografie eben Leiden schafft.

Viele Jobs ermöglichen dann diese Leidenschaft, aber „hauptberuflich“ fotografiert haben sie alle nicht, so dass niemand von ihnen nach den Massstäben bundesdeutscher Verbände einen Presseausweis erhalten hätte. Aber das nur am Rande.

“Photographien, die Bewunderung verdienen, haben die Kraft aufzuschrecken. Die besten Photos sind oft zerstörerisch, unvernünftig und wahnwitzig.” So äußerte sich Lisette Model. Das trifft natürlich voll ins Schwarze.

Und das führte dann auch zu den Fotos, die bis heute wirken und etwas erzählen, bei Robert Frank, bei Lisette Model und bei Diane Arbus. Irgendwie findet man das Thema, das einen beschäftigt und an dem man sich abarbeiten wird, wenn man fotografisch lebt.

Diane Arbus fand es bei denen, die nicht der Norm entsprachen.

Und sie fanden in ihr die Zuhörerin, die ihnen den Raum gab, sich so zu zeigen, wie sie als Mensch sind – jenseits aller Vorstellungen.

Es waren entscheidende Momente, wenn sich jemand entschloß, die Oberfläche zu öffnen und sie/er selbst zu sein.

Das Festhalten des Individuums in seiner doppelten Natur nach außen und nach innen war der Drahtseilakt dabei.

Sie dokumentierte dies und schuf so Dokumentarfotografie – aber ohne den sozialen Zusammenhang und die genauen Zeitumstände, dafür zeitlos.

Es ist ihr Weg und ihr Thema gewesen. Ein gutes Buch mit einem schwierigen Inhalt. Ich habe es aus der Hand gelegt und denke Tage später immer noch darüber nach.

Und wer mehr will als das Buch, dem sei der Film empfohlen:

 

About Michael Mahlke

Früher habe ich Bücher geschrieben über den Nationalsozialismus, die Gewerkschaftsbewegung, das Leben der kleinen Leute im Arbeitsleben, Ausstellungen organisiert, Lernsoftware entwickelt und Seminare zu Themen wie „Global denken vor Ort handeln“ geleitet. Nach der Grenzöffnung 1989 qualifizierte ich Menschen und half, in Umbrüchen neue Lebensorientierungen zu finden und dann wechselte ich in die industrielle Organisationsentwicklung. Oft war ich einer der wenigen, der das Sterben der Betriebe und das Sterben der Hoffnung der Menschen sah. Ich wollte nicht nur helfen sondern auch festhalten für die Nachwelt. Denn die Worte zeigten keine Gesichter und die Geschichten erzählten keine Momente, so wie ich es erlebt hatte. Wenn ich das alles damals schon nicht aufhalten konnte, dann wollte ich es wenigstens festhalten. So kam ich zum Fotografieren. Mehr hier - http://dokumentarfotografie.de/2022/09/17/der-fotomonat-und-seine-zeiten/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert